Sehr verehrte Anwesende

Lassen Sie mich, zwischen Ironie und Schicksal befangen, in Erinnerung an den alten Haudegen Friedrich Nietzsche, meinen heimlichen Vor- und Vorausdenker, der das letzte Jahrhundert schon am 30. September 1888 für beendet erklärte, um dann doch über ein dunkles Jahrzehnt lang auf sein Ende zu warten, - lassen Sie mich hier und heute, im Hochzeitalter der Wissensherrschaft, auch oder gerade auf die Gefahr hin, dem einen oder der anderen vielleicht allzu arglistig zu erscheinen, das Gesetz wider den Akademismus ausrufen, das mir der allesdurchwandernde Eros in der Nacht der Walpurga zugesprochen hat, - denn vielleicht bin auch ich nur auf der Suche nach einer verlorenen Emotion.

Todkrieg gegen das Laster, das Laster ist das Akademistentum!

1. Satz:
Lasterhaft ist jede Art Widernatur. Die lasterhafteste Art Mensch aber ist der Akademist: er lehrt die Widernatur. Gegen den Akademisten hat man nicht Gründe, man hat das Zuchthaus.
2. Satz:
Jede Teilnahme am akademischen Wissensdienst ist ein Attentat auf die leibhaftige Sinnlichkeit. Das Verbrecherische am degenerativen Akademismus nimmt in dem Maasse zu, je mehr man sich der kaltmachenden Intellektualität nähert. Der kälteste und skrupelloseste Verbrecher am lebendigen Leib ist folglich der Akademistenphilosoph, die Akademistenphilosophin.
3. Satz:
Die fluchwürdige Stätte, auf der das Heer der logotechnischen Destruktivisten mitsamt ihren Geschichtskompostisten und hybriden Metarechtfertigern ihre Universumseier gebrütet hat, soll dem Erdboden gleich gemacht werden und als verruchte Stelle der Erde der Schrecken aller Nachwelt sein. Man soll giftige Schlangen auf ihr züchten.
4. Satz:
Die Anthropotechnologik der obersten Kahlschläger als die wirksamste weil hinterhältigste aller Tugend- und Reinheits- und Züchtungspredigten des entmannten und entfrauten Machenschaftlertums ist eine ständige Aufreizung zur Widernatur. Jede Verachtung des geschlechtlichen Lebens, jede Verunreinigung desselben durch den Begriff "unrein" ist die eigentliche Sünde wider den heiligen Geist des Lebens.
5. Satz:
Mit Akademisten Tisch und Bett teilen bedeutet Exkommunikation aus jeder genuin menschlichen Emotionalität. Diese geschlechtslosen Fischaugen sind unser Fluch, - man soll sie verfehmen, aushungern, auf jede nur erdenkliche Art veröden lassen.
6. Satz:
Man soll die Heilsgeschichte der instrumentalfanatisierten Wissensproduktion als das sehen, was sie ist, als eine Geschichte der Verpervertierung und Verperpetuierung und schliesslichen Auslöschung der Lebensinstinkte selbst schlechthin - und sie mit dem Namen nennen, den sie verdient, als verfluchte Geschichte; man soll die Worte "Wissen", "Vernunft" und "Wahrheit" zu Schimpfworten, zu Verbrecher-Abzeichen benutzen.
7. Satz:
Ich bringe das Prinzip auf die götzendämmernde Formel: Jeder Naturalismus in der Moral, das heisst, jede gesunde Moral ist von einem Instinkte des Lebens beherrscht, - irgend ein Gebot des Lebens wird mit einem bestimmten Kanon von "Soll" und "Soll nicht" erfüllt, irgend eine Hemmung und Feindseligkeit auf dem Wege des Lebens wird damit bei Seite geschafft. Die widernatürliche Moral des grassierenden Wissensextremismus aber wendet sich umgekehrt gerade gegen die Instinkte des Lebens und sucht sie bei Seite zu schaffen - sie ist eine bald heimliche, bald laute und freche Verurteilung dieser Instinkte. Indem sie endlich triumphiert: "Das omnipotente Insektenauge der Wissenschaft sieht in dein Genom sogut wie in dein Gehirn", spricht sie zugleich ihr abgründigstes Nein zu den untersten und obersten Begehrungen des Lebens aus und nimmt das Wissen endlich unverholen als Waffe gegen das Leben in die Hand ... Der Wissende, an dem die Giftspinne der Rationalität ihr Wohlgefallen hat, ist der ideale Castrat... Das Leben ist zu Ende, wo das Reich der Akademisten anfängt.
8. Satz:
Der Rest folgt daraus, falls noch irgend ein Rest von Bedenklichkeit ungesagt geblieben wäre.


Nachtrag

Meine sehr verehrten Damen und Herren. In der NZZ vom 5. Mai lese ich das Elaborat eines Biologen und Philosophen, eines Arbeitsstellentätigen für Bioethik, eines, muss ich jetzt fast sagen, x-beliebigen Oberoberakademisten. Ich greife aus diesem Arguemtationsgewurstel dreierlei heraus, um den lebensentwertenden Schwachsinn deutlich vor Augen zu führen.

1.Zitat
"Ein Gen enthält die Information, die nötig ist, um ein Protein herzustellen: Die Sequenz der Basenpaare der DNA codiert die Auswahl und die Reihenfolge der Aminosäuren des Proteins."
So weit, so technisch.
2.Zitat
"Zu den Signaturen des biotechnischen Zeitalters gehört die Konkurrenz um genetische Information. Wer genetische Information besitzt, entscheidet über deren Verwendung und über die Verteilung der daraus zu erzielenden Erfolge."
So weit, so korrupt.
3.Zitat
"Ohnedies ist die Identifikation des Genoms mit "dem Menschen" eine Idee von metaphysischem Zuschnitt. Sie findet sich in geläufigen Metaphern vom Genom als dem "Konstruktionsplan" des Menschen oder als "genetisches Programm"".
So weit, so blauäugig.
Denn hier offenbart sich die Strategie der gespaltenen Akademistenzunge. Zwischen einem Menschen und einem menschlichen Organismus einen Unterschied zu präsupponieren, öffnet dem Biologistenwahn Tür und Tor, - aber nicht ohne dass sich dabei der Verräter am Leben um des Menschenleben willen seine Silberlinge einsteckt.
Nein, mein lieber Herr Rehmann-Sutter, nicht wird das Genom mit dem Menschen identifiziert, wie immer man diese Identifikation verstehen soll, das ist reine Augenwischerei, sondern, insofern ein Gen die Information enthält, um ein Protein in dem dafür notwendigen Organismus herzustellen, enthält ein Genom die Information, in einem dafür notwendigen Organismus einen Organismus herzustellen, sodass derjenige, der die genetische Information eines menschlichen Genoms besitzt, auch über deren Verwendung und über die Verteilung der daraus zu erzielenden Zuchterfolge entscheidet, sofern er über die dafür notwendige Plazenta verfügt, was im Zeitalter der globalen Biokapitalisierung keine Frage der Zeit mehr sein kann.
Was aber ist ein menschlicher Organismus wenn nicht ein Mensch? - Wie? Wenn Proteine zweckrational und urheberrechtlich geschützt hergestellt werden sollen, sollten nicht auch ganze Organe und Organismen zweckrational und urheberrechtlich geschützt hergestellt werden können, zumal dies ja auch unter den Bedingungen der real und legal existierenden Ausbeutung geschehen wird und gar schon geschieht? -
Nein, mein lieber Herr Rehmann-Sutter, ihre ganze Hinhaltetaktik und Akademistenrhetorik wird einmal dazu beigetragen haben, der technisch eugenisierten Gesellschaft zu ihrem Selbstverständnis verholfen zu haben.

Meine Damen und Herren: Die Liebeswüsten wachsen, weh dem, der Liebeswüsten birgt.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

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